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Aktuelles

Der Glaubensschatz der Kirche, nicht die Prozesse, sind irreversibel. Wenn eine propagierte Kirchenreform von ihm abrückt, wird sie scheitern, nicht ohne vorher viel Unruhe und Chaos ausgelöst zu haben und Spaltungen. Der Glaube der Kirche aller Zeiten bleibt Fundament der Einheit. Und alle, die letztere verloren haben, sind von ihm abgerückt und haben ihn in revolutionären Prozessen aufgegeben (vgl. Reformation).


Englische Version:



Für den Religionsphilosophen und Priester Romano Guardini war die Tradition der Reichtum der Erkenntnis der Vielen, die uns im Glauben vorausgegangen sind. Ihre Glaubenserkenntnis, die in die Glaubenstradition der Kirche eingegangen ist in Bezug auf viele Fragen, die uns auch heute noch beschäftigen, erweist sich gegenüber einer einzelnen Person oder Generation bzw. Zeit als die überlegene, aus langer Geschichte stammende Glaubens-erfahrung und Glaubenserkenntnis. Deshalb sieht die Kirche diachron (durch die Zeiten hindurch) mehr als synchron (nur heute). Warum? Weil der Gegenstand, den es zu erfassen gilt – Jesus Christus bzw. Gott - ein Subjekt voraussetzt, das nach Guardini alle Möglichkeiten menschlicher Erfahrung und Erkenntnis vereinigt, eine Erkenntnisgemeinschaft, die sich durch die gesamte Geschichte erstreckt und den Ertrag der verschiedenen Zeiten zur Tradition sammelt. Diese diachrone Glaubensgemeinschaft sieht mehr. In diesem Sinn ist die Glaubenstradition der Kirche jeder Zeit gegenüber stets die überlegene. Das gilt auch für unsere Zeit. Die Päpste haben sich deshalb immer auf ihre Vorgänger bezogen und auf die bisherige Lehre der Kirche, um sie für unsere Zeit zu aktualisieren und immer tiefer auszulegen, ohne dabei ihr jemals zu widersprechen oder sie für unzulässig zu erklären. Hier sieht Guardini auch die Bedeutung von Dogma, Liturgie und Recht für eine „Soziologie des katholischen Erkennens, Handelns und Seins“. Guardini nennt sie die drei »Baugesetze« der Kirche.


Es ist deshalb eine Art von Hybris und Selbsttäuschung, wenn eine Zeit die Kirche und ihre Lehre in vielen wesentlichen Fragen der Zeit wie z.B. der Ehe oder des Priestertums (um nur zwei Bereich zu nennen) neu erfinden will wie das Rad. Wie das Sprichwort meint, kann man es nicht neu erfinden. Und auch neue humanwissenschaftliche Theorien, die immer so lange gelten, bis sie falsifiziert sind, zwingen diesbezüglich die Kirche nicht zu einer Revision geoffenbarter Glaubenswahrheiten. Ein Abrücken von ihnen ist zum Scheitern verurteilt, und kommende Generationen werden es konstatieren. Meine Behauptung hat mit Traditionalismus absolut nichts zu tun, denn ich bin kein Traditionalist, aber ein Verfechter der Tradition (Traditionis Custos). Das ist nach «Traditionis Custodes» Aufgabe jedes Bischofs. Es geht also um das, was immer und überall und von allen geglaubt wurde (Vinzenz von Lérins): der Glaubensschatz der Kirche (das sog. Depositum Fidei), den wir nicht aufgeben dürfen. Er ist ein Schatz für jede Generation, ein Gewinn für die ganze Menschheit. Der Glaubensschatz der Kirche, nicht die Prozesse, sind irreversibel. Wenn eine propagierte Kirchenreform von ihm abrückt, wird sie scheitern, nicht ohne vorher viel Unruhe und Chaos ausgelöst zu haben und Spaltungen. Der Glaube der Kirche aller Zeiten bleibt Fundament der Einheit. Und alle, die letztere verloren haben, sind von ihm abgerückt und haben ihn in revolutionären Prozessen aufgegeben (vgl. Reformation).


Ich stelle einfach fest: Seit den 70er-Jahren wollen die Erneuerer dasselbe: Demokratische Mehrheitsentscheidungen bei Bischofsernennungen und Fragen der Lehre (Mitbestimmung); verheiratete Priester (Aufhebung des Zölibates); eine Revision der sakramentalen Praxis in Bezug auf die Unauflöslichkeit der Ehe (Hl. Kommunion für wiederverheirate Geschiedene; Wiederverheiratung), die Relativierung des Wesensunterschiedes zwischen dem sakramentalen Priestertum und dem allgemeinen Priestertum der Getauften (flache Hierarchie; Funktionalisierung des Amtes); das Frauenpriestertum bzw. Frauen in alle Ämter; eine Revision der Sexualmoral in Bezug auf Verhütung; Fortpflanzung; die Revision der Verurteilung homosexueller oder in sich schlechter Akte (die sog. «Homoehe»). Dazu kommen heute die Auflösung der Normativität der Heterosexualität; Transgender und Polyamorie. Die Relativierung der universalen Bedeutung von Jesus Christus als einzigem Mittler zwischen Gott und den Menschen wurde schon in meinen ersten Studienseminaren propagiert; die Relativierung der Taufe und die Pluralität der Religionen als gleichwertige Wege zu Gott sind eine Folge davon und auch nicht neu. Die Liste beansprucht keine Vollständigkeit. Im Wesentlichen ist sie seit Jahrzehnten die gleiche. Ich kenne jedenfalls diese Forderungen seit meiner Jugendzeit und bin jetzt 68 Jahre alt. Sie werden allerdings in eine immer wieder andere, raffinierte Semantik verpackt. Es ist ein Riesenaufwand an Worten und gelenkten Prozessen, um die immer gleichen Forderungen endlich umsetzen zu können und eine protestantisierte, erfolglose und dem Zeitgeist konforme Kirche nach Wunsch hervorzubringen: Nennen wir sie etwas polemisch die synodale. Denn alles hat ja auch etwas Richtiges. Aber darum geht es nicht. Ich habe in Innsbruck Ende der Siebziger Jahre noch Vorlesungen gehört über die vier Wesensattribute der Kirche: una, sancta, cattolica et apostolica. Die Synodale, in welcher alles fluid und diskutabel, deshalb offen und inklusiv gegenüber Abweichlern, divers und gleich sein soll, ist im Glaubensbekenntnis der Kirche bisher nicht vorgekommen. Was vergessen wird: Die Lehre und Moral der Kirche bedeutete zu allen Zeiten auch «Exklusivität» bzw. «Ausschluss»: Irrtümer wurden ausgeschieden und verurteilt; Sünden wurden nie abgesegnet, sondern beim Namen genannt; das moralisch Falsche wurde nicht gutgeheissen, sondern verurteilt, die Schöpfungsordnung nicht aufgelöst, sondern hochgehalten, die Häresie nicht zur (neuen) Wahrheit erklärt, sondern abgelehnt. Das waren noch Zeiten! Die Kirche hat gekämpft: für die Wahrheit! Letztere macht Märtyrer.

Was mich erschüttert und erstaunt, ist die Perfidie, Schlauheit und Intelligenz, wie die neuen Postulate umgesetzt und sprachlich verkleidet werden. Ich habe die Theologen schon immer für die grössten und begabtesten unter den Sophisten gehalten. Das Phänomen lässt mich immer wieder an den Antichristen denken, der bei Solovjew sehr freundlich und inklusiv auftritt, niemandes Gefühle kränkt; jedem seine Meinung lässt; niemanden verurteilt; alle verbrüdert; nur den Glauben vom Absolutheits- und Exklusivitätsanspruch Jesu Christi entkernt und darum radikal inklusiv ist, ein Freund von Diversität und Gleichheit, eine Verbrüderung von allen. Nur, man muss ihn anerkennen. Daran führt kein Weg vorbei. In diesem Punkt kennt er keinen Kompromiss.


Seit Jahren ist die Kirche mit sich selbst und ihren Strukturen beschäftigt. Sie redet nur noch über ihren modus operandi (listening). Fragen, nicht Antworten sind ihr wichtig; Gefühle, nicht die harte Wahrheit. Sie schliesst niemanden aus und hat damit alle Geister gerufen, die sich ungehindert in ihr tummeln. Sie lehrt nicht, sondern hört zu und lernt von jenen, die ihren Glauben ablehnen. Letztere sollen mitentscheiden, mindestens mitreden (kommt darauf an, bei was).

Christus aber verkündet sie nicht mehr als die allein gültige und definitive Offenbarung Gottes, als die Türe, an der vorbei niemand zum Vater kommt, als die einzigartige Perle (Singularität), die alle übrigen, welche Jesus Diebe genannt hat, in den Schatten stellt, und die alle Menschen angeht. Das wäre nicht zeitgemäss und könnte jemanden kränken bzw. abwerten. Aber vielleicht kränkt sie Ihn, Jesus Christus, der ihr den Auftrag gegeben hat, alle Menschen zu Seinen Jüngern zu machen und sie zu lehren, alles zu halten, was Er uns geboten und geoffenbart hat. Das ist ihre Mission. Keiner kann es ändern. Aber frühere Generationen und vor allem die Märtyrer beschämen uns diesbezüglich und lassen uns heute arm dastehen. Statt Mater et Magistra (Mutter und Lehrerin bzw. Säule der Wahrheit) ist die Kirche zur Debattenstube geworden, in welcher alles wieder von vorne beginnt. Denn schon die vorausgehenden Synoden über Familie, Amazonas und Jugend, haben das Gleiche versucht, was die Revision der bisherigen Lehre betrifft. Sie war noch nie unumstritten. Sie sollte schon immer aus der Sicht der Welt geändert werden. Tragisch, dass die Reformer das Gleiche wollen. Ihre Hoffnungen richten sich wieder nach vorne: auf 2024. Es wird der Heilige Geist bemüht, der noch nie sich selbst widersprochen hat, was den Glauben der Kirche betrifft. ER führt sie in der Wahrheit. Sie hat Ihn, aber nicht alle. Wer sich zu selbstgewiss auf IHN beruft, bleibt verdächtig. Ich tue es nicht, hoffe und gebe nur meine Meinung.


https://kath.net/news/82008

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