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Aktuelles

Eine Betrachtung zur Fastenzeit und ein Ratschlag am Schluss.



"Erkenne Dich selbst" stand über dem Eingang des Apollon -Tempels zu Delphi. Schon Sokrates war überzeugt, dass Selbsterkenntnis eine Bedingung der Sittlichkeit ist. Diese besteht in einer doppelten Anerkenntnis: Ihre moralische Seite bedeutet, dass wir unsere Fehler und Sünden erkennen und eingestehen. Ihre theologische Seite besteht darin, dass wir unseren Status als Geschöpfe anerkennen: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir.“ (1 Kor 15,10) Beides ist notwendig. Nach dem Hl. Benedikt sollen wir nur das Böse uns selbst zuschreiben (Benediktsregel 4,42f). Im Gefühl der Reue sahen die Mystiker ein Indiz dafür, dass Jesus sie ähnlich wie Petrus „angeschaut“ hatte: „Da wandte sich der HERR um und sah Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des HERRN ... und er ging hinaus und weinte bitterlich.“ (Lk 22,61f) Aus Reue und Heiligem Geist ist die Kirche geboren worden, hat Papst Benedikt in den USA gesagt. Eine Voraussetzung dafür ist die Selbsterkenntnis. Sie führt uns an die Wurzeln der inneren Regungen, z.B. des Zornes. Dabei zeigt sich, dass leider auch unsere guten Werke nie ganz frei sind von den „Beimischungen“ des Egoismus wie z.B. Eitelkeit oder Selbstgerechtigkeit. Selbsterkenntnis bedeutet also, sich „realistisch“ einzuschätzen. Wir sollen uns für das halten, was wir sind, nicht mehr und nicht weniger. Der Mensch soll nach der Wahrheit leben und deshalb in sich die Früchte der Gnade wie auch die Wirkungen der Sünde anerkennen, sagt Makarios der Grosse. Sowohl Johannes der Täufer wie Jesus selbst beginnen deshalb ihr Wirken mit dem Aufruf zur Umkehr. Tauler verstand diese als eine gänzliche und wahre Abkehr von allem, was nicht lauter Gott ist (oder wovon Gott nicht die wahre Ursache ist) und dann eine wahre und völlige Hinkehr zu Gott mit allem, was man ist.

 

Isaak der Syrer sagt, dass Selbsterkenntnis zu jener Wiedergeburt des Geistes führt, von der Jesus zu Nikodemus in jener denkwürdigen Nachwache gesprochen hat. Wer den Hl. Geist bittet, in ihm zu wohnen, muss sein Herz reinigen. Wir Menschen haben als vernunftbegabte Wesen ein Gespür, das Gutes und Böses unterscheidet. Das Gebet vertieft und verfeinert dieses Gespür. Gleichzeitig wächst dabei unsere Sensibilität für Gott und für alles, was ihm gefällt oder missfällt. Die Wüstenväter benutzen in diesem Zusammenhang einen Vergleich: Das Gewissen eines Menschen, der oberflächlich und rein aussenorientiert lebt, gleicht einem trüben Wasser. Auf seinem Grund wimmelt es von allerlei Gewürm. Der Ahnungslose merkt nichts davon. Das trübe Wasser verhindert die klare Sicht. So lebt mancher selbstgerecht und sorglos, hält sich für gut und verurteilt andere. Ganz anders steht es um das Gewissen eines „Erleuchteten“. Es gleicht dem klaren Wasser. Alles steht wie in einem reinen Spiegel da, bis auf den Grund. Selbsterkenntnis begleitet jedes wahre Gebet und bringt Hellsicht gegenüber eigenen Fehlern und Schwächen. Dabei schmerzen auch geringfügige Fehler, weil auch sie uns auf dem Weg zu Gott behindern oder irritieren. Die Reue darüber ist eine Voraussetzung ihrer Überwindung. „Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen.“ Ps 51,19 Ein reines Gewissen ist ein hohes Gut und die schönste Belohnung für eine gute Lebensführung. Es bringt Frieden. Die Prüfung unserer Gedanken, Regungen und Absichten bleibt also eine tägliche Aufgabe für jeden von uns. Die Fastenzeit ist dafür wie geschaffen. Auch die geistliche Begleitung oder eine persönliche Beichte können helfen, uns selbst und die Liebe des HERRN „objektiver“, d.h. wahrhaftiger zu sehen. Darüber hinaus vermittelt die Beichte einen Frieden, der nur aus der empfangenen Vergebung kommt. „Da ging er in sich“, heisst es vom verlorenen Sohn in Lk 15,16. Gerade dieses Gleichnis zeigt, dass Reue nichts zu tun hat mit krankhafter Selbstzerfleischung oder mit einer knechtischen Gesinnung gegenüber Gott. Im Gegenteil! Sie setzt ein absolut positiven Gottesbild voraus: der barmherzige Vater, der seinem Sohn entgegeneilt und um den Hals fällt. Das Gleichnis zeigt, dass die wahre Reue alle vitalen Kräfte in uns wiederherstellt, die vom Hl. Geist selbst stammen, den wir den „Lebensspender“ nennen. Von Ihm getrieben und „revitalisiert“ eilt der verlorene Sohn zurück ins Leben, ins Haus des Vaters, in seine Würde (als Gotteskind): Freude und Musik im ganzen Haus!

 

Ich empfehle, in dieser Zeit die persönliche Liebe Jesu zu jedem von uns in den Blick zu nehmen und zu verinnerlichen und seine Wunden im Gebet zu verehren. Seine entsetzliche Passion zeigt uns, wie sehr Er uns liebt, wie viel Er für jeden von uns getan hat, damit die Versöhnung mit dem Vater, die wahre Freude, das neue Leben in Ihm für uns alle wieder möglich wurde! Die Hl. Messe ist die vorzüglichste Weise, diese Liebe des HERRN zu empfangen und zu beantworten, Ihm zu begegnen und Ihn in uns aufzunehmen. «Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm!»

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